Geschichtliche Entwicklung der Gemeinde

Im 16. Jahrhundert gehörte Brilon zu Kurköln, wo das kirchliche Bekenntnis der Untertanen durch den Kölner Erzbischof bestimmt wurde. Jahre nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555, der nur den Landesfürsten Glaubensfreiheit gewährte, hatten im Jahr 1583 auch in Brilon die ersten zaghaften reformatorischen Bewegungen durch den Erzbischof G. Truchseß vorübergehend Erfolg. Nachdem die Bayern Westfalen besetzt hatten und sich sämtliche Städte  unterwarfen, wurde bereits 1584 der sich entwickelnde Protestantismus wieder vernichtet.

 

Es dauerte über 200 Jahre bis die Voraussetzungen für den Neuanfang einer evangelischen Kirchengemeinde geschaffen wurden:

 

Erst mit Übernahme der Regierungsgewalt durch das Großherzogtum Hessen-Darmstadt, später dann durch das Königreich Preußen, kamen die ersten Evangelischen nach Brilon, zunächst Beamte der preußischen Verwaltung, später auch Handwerker. Per Reskript der Königlichen Regierung zu Arnsberg wurde es den Evangelischen gestattet, Gottesdienstversammlungen in der ehemaligen Minoritenkirche in Brilon abzuhalten.

Trotzdem gehörte Brilon zunächst zur Gemeinde Arnsberg. Als 1821 in Meschede eine eigene evangelische Gemeinde entstand, wurde Brilon angegliedert. Da die Gemeinde jedoch zu finanzschwach war, wurde sie gottesdienstlich und seelsorgerlich zunächst vom Arnsberger Pfarrer  mitversorgt.

 

Nachdem sich in den folgenden Jahren auch in Brilon der Wunsch nach einer eigenen Gemeinde verstärkte, kam es 1830 zur Gründung eines evangelischen Kirchvereins. Evangelische aus Thülen, Alme, Bigge und Olsberg schlossen sich an und so hatte der Verein 1835 schon 160 – 170 Mitglieder. Gottesdienst durfte in der ehemaligen Klosterkirche abgehalten werden, die Amtshandlungen wurden durch den Pfarrer aus Meschede versehen.

 

Mit der Ordination von Pfarrer Tugendhold Pape 1838, der über 42 Jahre in Brilon seinen Dienst versah, war es nun auch in Brilon möglich, eigene Gottesdienste zu feiern.

Durch Abgrenzungsurkunde vom 30.11.1843 wurden dem Pfarrbezirk Brilon zugeteilt:

 

• Die katholischen Kirchspiele mit Brilon, Rixen und Wülfte
• Bontkirchen
• Thülen mit Thülen, Nehden, Radlinghausen, Messinghausen und Rösenbeck
• Alme mit Niederalme und Oberalme
• Scharfenberg
• Altenbüren mit Altenbüren und Eßhof
• Bigge mit Bigge, Antfeld, Olsberg, Gierskopp, Elleringhausen, Helminghausen und       Grimlinghausen.

 

Im Jahr 1845 wurden die erste Gemeinderepräsentation (16 Mitglieder) und das erste Presbyterium (4 Mitglieder) gewählt, das sich nicht nur mit Fragen der Finanz-, Bau- und Verwaltungssachen, sondern ebenfalls mit Fragen des Gemeindelebens und der geistlichen Aufgaben beschäftigte. 1846 gab es 234 Gemeindeglieder, davon 151 in Brilon-Stadt. Die Bildung einer Gemeinde war nun abgeschlossen.

 

Es begann die Zeit des  Ausbaus. Dazu gehörte der Bau einer eigenen Kirche. Vom Anfang der Planungen dauerte es vier Jahre bis am 09.05.1855 die Grundsteinlegung, an der die ganze Stadt teilnahm, stattfinden konnte. Den Bauplatz vor dem Kreuziger Tor hatte die Stadt unentgeltlich abgegeben. Am 19.10.1856 wurde  die neue Kirche, die in Anlehnung an Entwürfe von König Wilhelm IV. und dem Architekten Karl Friedrich Schinkel gebaut worden war, eingeweiht. Gebaut aus behauenen Bruch- und Sandsteinen trägt sie 4 kleine Ecktürmchen. Das Giebeltürmchen mit dem kupfernen Dach musste 1922 einem Kirchturm weichen. Die Prinzipalstücke auf dem Altar sind preußische Schmiedekunst und ein Geschenk der preußischen Königin. Wichtig war den Bauherren, dass die beiden Glocken einen harmonischen Zusammenklang mit den Glocken der übrigen Kirchen in Brilon hatten. Der Glockenturm besitzt eine der letzten mechanischen Turmuhren im Sauerland.

Mehrmals im Laufe seiner Geschichte wurde der Kirchraum renoviert und neugestaltet. Seit 1976 steht die Stadtkirche unter Denkmalschutz.

 

1908 wurde die Orgel durch eine neue pneumatische Kirchenorgel mit 16 Registern in romantischem Klangbild, erbaut von dem Orgelbauer Eduard Vogt in Korbach, ersetzt. Sie stellt heute ein selten gewordenes Dokument der Musikgeschichte dar und ist in die Liste der Denkmäler aufgenommen.

 

Die Entwicklung der Gemeinde vollzog sich nach dem Kirchenbau langsam aber stetig weiter. Im Herbst 1859 mietete man ein Schullokal an und stellte einen Lehrer ein, 1869 wurde ein Pfarrhaus erworben. Nach dreijährigen Verhandlungen mit der Stadt erhielt die Gemeinde 1874 ihren eigenen „Totenhof“. Um 1880 hatte die gesamte Gemeinde 350-400 Gemeindeglieder.

 

Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich Olsberg zu einem weiteren kirchlichen Mittelpunkt. Eine evangelische Kapelle wurde gebaut, die  gottesdienstliche Versorgung von Brilon aus aufrechterhalten. Außerdem wies die Gemeindevertretung einen Schulraum zu.

Durch den ersten Weltkrieg wurde der diakonische Wille in der Briloner Gemeinde lebendig, Hilfsbedürftige durch Gaben zu unterstützen. Die Inflation nach Kriegsende brachte der Gemeinde schwere Vermögensverluste.

 

In den nächsten Jahren wuchs die Gemeinde nur sehr langsam weiter. Trotzdem konnten ein sonntäglicher Kindergottesdienst, ein Gemeindesingkreis und auch eine wöchentliche Bibelstunde eingerichtet werden.

 

Zwischen 1934 und 1945 engagierten sich Pfarrer und Presbyterium im Kirchenkampf entschieden und kompromisslos für die Erhaltung des Evangeliums von Jesus Christus. Verschiedentlich verfasste das Presbyterium Protestschreiben an die Machthaber, um gegen Übergriffe (z.B. gegen Martin Niemöller) Stellung zu nehmen. Es verwahrte sich auch gegen Versuche des Oberkirchenrates, die presbyterial-synodale Ordnung der Provinzialkirche aufzuheben.

 

Aufgrund der politischen Bedingungen in Deutschland mussten die evangelischen Schulen in Brilon und Olsberg geschlossen werden; es gab auch Kirchenaustritte. Trotzdem ging das gottesdienstliche Leben in der Gemeinde rege weiter. Mit Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde dem Briloner Pfarrer die Betreuung zahlreicher Lazarette, Waisen- und Krüppelhäuser in der Region übertragen. Bedingt durch den heftiger werdenden Bombenkrieg zogen ab 1943 zahlreiche Evakuierte aus dem Ruhrgebiet nach Brilon, viele davon evangelisch.

 

Nach dem Krieg kamen ab Ende 1945 die ersten Heimatvertriebenen in die Briloner Gemeinde. Gab es vor dem 2. Weltkrieg etwa 900 Evangelische in der Gemeinde Brilon, erhöhte sich die Zahl innerhalb kurzer Zeit auf 4000-5000. Außerdem konnten zahlreiche zuvor ausgetretene Menschen wiederaufgenommen werden. Die Not der Vertriebenen war groß und die gemeindlichen Aufgaben wuchsen rasant.

 

Nach anfänglichen Schwierigkeiten ging der Ausbau der Gemeinde dann aber rasch voran. 

Aus den Zuwandererbezirken wurde bald der Wunsch nach eigenen gottesdienstlichen Räumen laut. Mit Unterstützung der Stadt Brilon und der Gemeindeglieder konnten am 01. Advent 1954 in Brilon-Wald und am 30. Oktober 1955 in Hoppecke evangelische Kapellen eingeweiht werden. Ebenfalls 1955 wurde der Gemeinde Brilon für den Gemeindebezirk Pulvermühle, Gudenhagen-Petersborn ein Hilfspastor zugewiesen, der die Gottesdienste in der katholischen Kirche in Gudenhagen abhielt.

 

Mit der Amtseinführung eines eigenen Olsberger Pfarrers in 1955 wurde die Vorbereitung der Aufteilung der Kirchengemeinde Brilon in zwei selbstständige Pfarrbezirke eingeleitet. 1957 wurden die Gemeindeteile Antfeld, Assinghausen, Bigge, Bruchhausen, Brunskappel, Elleringhausen, Grimlinghausen, Helmeringhausen und Wulmeringhausen aus der Kirchengemeinde Brilon ausgepfarrt und zu einer neuen Kirchengemeinde  Olsberg zusammengefasst.

 

Da sich die Eltern nach dem 2. Weltkrieg mehrheitlich für die Einrichtung von konfessionellen Schulen entschieden hatten, wurde die evangelische Schule bereits 1946 wieder eröffnet. Die Schülerzahl stieg durch Zuwachs aus den Flüchtlingsfamilien rasant an und machte den Bau eines neuen Gebäudes notwendig.

 

Die 60er Jahre waren von einer starken Expansion gekennzeichnet. So wurde 1960 die evangelische Schule eingeweiht, und in den folgenden Jahren wurden gleich zwei weitere Pfarrstellen geschaffen (1961). Die wachsende Gemeinde erforderte auch bauliche Erweiterungen: 1963 wurde die evangelische Kirche in Gudenhagen mit einem Gemeindezentrum eingeweiht.

 

In den 70er Jahren setzte sich der Trend zur Ausweitung der kirchlichen Angebote fort. 1970 wurde ein evangelischer Kindergarten gegründet, und 1977 folgte die Einweihung des evangelischen Gemeindezentrums in Brilon. Ein Jahr später, 1979, wurde ein eigener Kirchenchor ins Leben gerufen.

 

Die 80er und 90er Jahre brachten Veränderungen in der Struktur der Gemeinde mit sich. 1989 wurde die evangelische Schule in eine städtische Gemeinschaftsschule umgewandelt und damit ihre konfessionelle Bindung aufgehoben. In den 90er Jahren kam es zu einer Reduzierung der Pfarrstellen: 1996 wurde der Dienstumfang der dritten Pfarrstelle um 50 % gekürzt, und zum 1. Januar 2005 wurde diese Pfarrstelle schließlich aufgehoben.

 

Die 2000er Jahre waren von weiteren Anpassungen geprägt. 2008 wurde die Kapelle Brilon-Wald entwidmet, während die Zukunft der Kapelle Hoppecke gesichert werden konnte. Nach einer einjährigen Vakanz wurden 2012 und 2013 neue Pfarrerinnen und Pfarrer für die verbleibenden Pfarrstellen eingeführt. Allerdings wurde die zweite Pfarrstelle im April 2020 aufgehoben, nachdem die Amtsinhaberin im September 2019 verabschiedet worden war. Im Jahr 2023 wurde die Ev. Kirche in Gudenhagen mit dem Albert-Schweizer Gemeindezentrum entwidmet.

Ev. Stadtkirche vor 1922

Innenraum vor 1955

Innenraum ab 1956

Innenraum ab 1974

Innenraum bis 2022

Stadtkirche mit Turm

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Ehem. Kirche Gudenhagen